Im Alleingang bis zur Donau * Hinweis)

Der Erfurter Dr. Wolfgang Buchenau wanderte in 74 Tagen über 2.700 km
 von Eisenach nach Budapest

Er weiß im Steigerwald Bescheid wie andere in ihrer Wohnung. Er kennt den Rennsteig wie andere ihren Vorgarten. Er findet sich im rumänischen Fagaras Gebirge zurecht wie andere in ihrem Stadtbezirk. Doch alldem hat es der 39-jährige Wolfgang Buchenau weniger zu verdanken, dass er der ungekrönte Wanderkönig unseres Bezirks ist. Sein 74 Tages-Marsch von Eisenach nach Budapest war's, der ihn aus der großen Schar der "Wandervögel" heraushob und viele respektvoll das Hütchen ziehen ließ. Eine Leistung, hinter der eine mächtige Portion Selbstbeherrschung und Standvermögen steckt, zu der eiserner Wille und gute Nerven gehören.

2.700 km - viermal kreuz und quer durch die DDR; das 55-fache der längsten olympischen Leichtathletik-Disziplin! Kaum vorstellbar, solch eine Distanz zu Fuß zu bewältigen. Doch als Wolfgang Buchenau zuvor Freunde, Bekannte und die Familie ins Vertrauen zog, zweifelte niemand von ihnen, dass er Ernst macht. Sie wussten: Was er sich vornimmt, setzt er in die Tat um.

Lampenfieber vor dem Start

Dabei forderte schon die Vorbereitung des Wanderabenteuers eine Menge Kraft. "Zum Glück boten mir da meine Frau und meine vier Kinder den entsprechenden Rückhalt. Niemand von ihnen stempelte meine Idee, den neu eröffneten Bergwanderweg der Freundschaft von Eisenach nach Budapest in einem 'Ritt' zu absolvieren, als Spinnerei ab. Dabei hatte ich in dieser Zeit selbst Bedenken, oder besser gesagt, reichlich Lampenfieber .... "

Allein schon das packen war eine schweißtreibende Fleißarbeit. Konzentration auf das Minimum lautete die Zauberformel  ...zig Mal wurde ein- und auspackt, flogen Dinge heraus, um später wieder sorgfältig im Rucksack zu verschwinden. Gute 20 kg wog er vor dem Abmarsch, gefüllt mit Zelt, Wanderkarten, Wechselsachen, Waschzeug ... und Medikamenten.

Die brauchte der Arzt der Erfurter Kinderklinik dann allerdings am wenigsten. Lediglich einige Blasen, ein kurzzeitiger Schnupfen und geringe Gelenkbeschwerden verlangten eine Behandlung. "Das regelmäßige Wandern sorgt eben für eine gesunde Belastung des Körpers. Ich lernte den meinen in diesen Wochen genauestens kennen, konnte ihn je nach Schwächen und stärken steuern. Keinen Einfluss hatte ich auf die manchmal aufkommende Ungewissheit, welche Abenteuer mich am Wegesrand erwarten würden."

Empfang im Russischen-Kabinett

Allein auf weiter Flur stiefelte Dr. Wolfgang Buchenau durch die Wälder und Täler der DDR, der CSSR, Polens und Ungarns. Während er über Stock und Stein ging, sich durch meterhohes Gras kämpfte, über umgestürzte Bäume kletterte, kreisten seine Gedanken oft schon um die kommende Nacht. Wo würde er sie verbringen?

Spartanisch bis luxuriös zeigte sich die Palette des Angebots - vom Zelt über Herberge bis zum Interhotel. Aber auch eine Schule im ungarischen Cheratsurany bot ihm ein Dach überm Kopf. Die Schüler einer dort angesiedelten Klasse hatten den einsamen Wandersmann am Ortsrand "aufgespürt". Mit Unterstützung der Lehrerin und unter Zuhilfenahme von Händen und Füßen kam er mit den ebenso erstaunten wie begeisterten Mädchen und Jungen ins Gespräch. Und als es sich Dr. Buchenau am späten  Abend im Russisch-Kabinett der Schule bequem gemacht hatte, musste er noch eine neugierige Schülerabordnung empfangen. Viele Fragen brachten sie mit .... und einen Korb voller Leckereien.

Eins von zahlreichen beeindruckenden Erlebnissen. Doch da gab es auch Episoden, die dem zähen Doktor vorübergehend die Knie ein bisschen weicher werden ließen. So in einer polnischen Gemeinde, wo ihn ein misstrauischer Milizionär möglicherweise für einen heimlichen "Grenzgänger" hielt. Erst nach einem klärenden Gespräch auf der Polizeistation konnte er wieder seiner Wege ziehen. Oder in Sucha Hora (CSSR), wo sich eine auf der Karte eingezeichnete Grenzübergangsstelle völlig trostlos und verlassen präsentierte und letzten Endes als seit zwei Jahren nicht mehr passierbar herausstellte.

Täglich 35 Kilometer

"All das stand natürlich nicht in meinem detailliert ausgearbeiteten Marschplan. Auch nicht die Zusatzkilometer, die ich zurücklegen musste, weil ich mich verirrt oder verlaufen hatte. Doch ans Umkehren dachte ich eigentlich nie. Die seltenen Tiefpunkte überwand ich zum Glück relativ schnell, wobei das glänzende Wetter - nur einmal regnete es in den drei Monaten - hier sicherlich eine Rolle spielte."

Einsam fühlte sich Dr. Wolfgang Buchenau, der seit seiner Schulzeit dem Sport auf Schusters Rappen frönte, nur selten. Denn der Tag war mit durchschnittlich 35 Kilometer Fußmarsch, dem Schreiben des Tagebuchs, Kartenstudium und Wäschewaschen restlos ausgefüllt. Es störte ihn auch nicht, dass er seinen Trip mutterseelenallein, ohne "großen Bahnhof" und Beifallsjubel im "kalten Tal" in den Budaer Bergen beendete.

"Ich habe es geschafft und mich dabei zum Teil selbst bezwungen - ein wunderbares Gefühl", schwärmt er noch heute.
"Phantastische Landschaften, herzliche Begegnungen mit Menschen aus befreundeten Ländern, unzählige Erlebnisse und Episoden lagen hinter mir. Die Mühe hat sich gelohnt."

 

* Hinweis)
  
Dieser Artikel ist am 23.11.1987 in der Zeitung "Das Volk" erschienen (heute Thüringer Allgemeine).

 

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